Der Nibelungenhort

Viele Schätze gelten als verschollen. So auch der legendäre Schatz der Nibelungen. Ist der Nibelungenhort ein Produkt der dichterischen Fantasie oder Wirklichkeit? Er sancte in da ze Loche allen in den Rin. Mit diesen wenigen Worten wird das Versteck eines der drei berühmtesten Schätze der Welt beschrieben. Hat Hagen den angeblich größten Schatz der Menschheitsgeschichte wirklich einfach im Rhein versenkt? Will man den Schatz der Nibelungen suchen, muss man zunächst versuchen die Örtlichkeit, an der der Schatz versteckt sein könnte, anhand der im Nibelungenlied enthaltenen Ortsangaben einzugrenzen. Dazu sind die Ortsangaben erst einmal zu plausibilisieren. Mithilfe der Hinweise und Ortsbeschreibungen im Nibelungenlied "Handschrift B" wird versucht die richtigen Antworten zu finden. Dabei wird von der These ausgegangen, dass der Autor des Nibelungenliedes ihm bekannte Orte benutzte um die überlieferten Saganamen, mit geografischen Punkten aus seiner Zeit gleichzusetzen und ein klares Raumbild zu schaffen. Viele germanische Stämme hatten Staatsschätze aus Gold und Silber. Einige wurden gefunden, wie der Schatz der Westgoten (Schatz des Königs Rekkeswinth), Ostgoten (Schatz von Pietroasa in Rumänien) oder Gepiden (Goldschatz von Szilàgy-Somlyó), andere hingegen sind verschollen. Vermutlich hatten auch die Burgunder einen Staatsschatz, obwohl in historischen Quellen davon nichts berichtet wird. Wenn ja, dann kann man wohl auch vermuten, dass die Burgunder vor ihrer Vernichtung durch Flavius Aetius und die Hunnen im Jahr 435/6 ihren Staatsschatz versteckt haben, um ihn vor fremdem Zugriff zu schützen. Im Schrifttum finden sich viele Hinweise auf verborgene Schätze, die keine Utopie ist, sondern einen wahren Kern besitzen. Etwa die Dichtungen des Homer. Die Werke des Homer galten lange Zeit als Fantasieprodukte, bis der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann die Erzählungen als historische Realität ansah und Troja ausgrub. Er ging bei seiner Suche streng methodisch vor und analysierte zunächst genau die Epen Homers. Schliemann überprüfte die im 8. Jahrhundert entstandenen Schriften nach brauchbaren geografischen Hinweisen, die ihn dann zum Hisarlikhügel südwestlich der Stadt Burnabaschi führten.  Die Wissenschaft setzt heute Hisarlık mit Troja gleich. Im Hügel wurden zahlreiche Siedlungsschichten gefunden. Die letzte davon stammt aus römischer Zeit. Bei seinen Ausgrabungen fand Schliemann einen der prunkvollsten Schätze der Antike, den er als Goldschatz des Priamos identifizierte.

Die neuere Forschung verneint dies jedoch und geht davon aus, dass es sich um den Schatz einer Hochkultur handelt, die um das Jahr 2.500 vor Christus lebte. Ähnliche Überlegungen, wie sie Schliemann anstellte, können aber auch für das Nibelungenlied gelten. Daher wird in dieser Recherche von der Annahme ausgegangen, dass der Nibelungenschatz existiert und anhand bekannter historischer Ereignisse und Fakten, geografischer Daten, archäologischer Funde und literarischer Quellen, versucht Indizien zu finden, um diese Annahme zu erhärten. Der Rest ist Spekulation. Der Autor des Nibelungenliedes schildert historische Abläufe, die ihm aus den mündlichen Überlieferungen bekannt wurden. Das Nibelungenlied ist das erste Werk in der deutschen Literatur, das sich mit einem Schatz und seinen Auswirkungen auf das Handlungsgeschehen befasst. Das Nibelungenlied beschreibt das Schicksal der Burgunder, die auch Nibelungen genannt wurden und im 5. Jahrhundert in und um Worms residierten.


 Eine erfolgreiche Suche nach dem Nibelungenschatz beruht daher zunächst einmal auf einer genauen Analyse des Epos. Statt die bekannten Nibelungenschriften einfach als Sagen abzutun, ist es sinnvoll, sie erst einmal nach brauchbaren geografischen und sonstigen Hinweisen zu durchforsten.


Hinweise


  • B∗ 1137: Er sancte in da ze Loche allen in den Rin. Dies ist die am heftigsten umstrittene Strophe im Nibelungenlied, da in ihr der Ort, an dem der Schatz versteckt wurde, beschrieben wird. Da im Mittelhochdeutschen nur Eigennamen großgeschrieben werden, ist mit Loche wahrscheinlich ein Ort gemeint. 


  • B∗1131:  Da sagte der König Gunther: Ich habe ihr geschworen, ihr keinerlei Leid mehr zuzufügen und ich will diesen Eid auch weiterhin halten. Schließlich ist sie ja noch meine Schwester. Da sagte wiederum Hagen: Lasst nur mich die Schuld auf mich nehmen. Um das Reich zu schützen, hatten König Gunther und Hagen verabredet, den Schatz beiseitezuschaffen. Von diesem Deal durfte niemand etwas wissen. Der König durfte nicht kompromittiert werden. Deshalb nahm Hagen die Schuld alleine auf sich.


  • B∗1137:  Er hoffte immer noch, sie könnten ihn eines Tages wieder nutzen. D.h. der Schatz sollte wiederbringlich verborgen werden. Daher kommt nur eine überlegte Versenkung, z.B. an einer seichten Stelle im Rhein in Betracht. 


  • B∗2368:  Wahrhaftig, ich habe geschworen, dass ich den Hort nicht zeige, solange einer meiner Herren am Leben ist so lange werde ich ihn niemandem geben. Das ist ein weiterer Hinweis, dass der Schatz wiederbringlich verborgen werden sollte, denn das ergibt nur Sinn, wenn Hagen über den Schatz noch verfügen konnte.


  • B∗1135: Kriemhild sagt zu ihrem Bruder Giselher: Lieber Bruder, wenigstens du solltest auch an mich denken und mein Leben und mein Gut beschützen. Da sagte er zu der Herrin: Das werde ich tun, sobald wir wieder da sind. Nun müssen wir leider dringend ausreiten. Das kann nur bedeuten, das Giselher nichts von dem Schatzraub wusste.


  • B∗1138:  Die Fürsten kamen nun wieder zurück und mit ihnen kam ihre große Gefolgschaft. Unterstützt von ihren Mädchen und Frauen, führte Kriemhild heftige Klage über den Verlust des Schatzes. Den Fürsten missfiel es sehr und besonders Giselher hätte sich nur gerne ganz auf ihre Seite gestellt. Ein weiterer Hinweis, das Giselher und wahrscheinlich auch Gernot nicht in den Schatzraub verwickelt waren. Es handelte sich um einen Deal zwischen König Gunther und Hagen.


  • B∗1140: Bevor Hagen von Tronje den Schatz in den Rhein versenkt hatte, da hatten sie untereinander feste Eide geschworen, dass niemand etwas sagen sollte, solange einer von ihnen noch am Leben sei. Der König war darüber informiert, wohin der Schatz gebracht werden sollte.


  • B∗1475:  Da veranlasste Hagen von Tronje seinen Bruder Dankwart, achtzig ihrer Recken an den Rhein zu bringen. Die kamen ritterlich daher; die tapferen Männer brachten Harnische und Kleider in das Land Gunthers. Damit ist belegt, dass Hagen ein Lehen hatte, denn nur die Herren, die ein Landlehen besaßen, konnten zum Heeresaufgebot beitragen. Für einen so wichtigen Mann wie Hagen, er war Reichskanzler und oberster Heerführer, kamen im Herrschaftsgebiet der Burgunder als Lehen mit Ausnahme von Worms, das ja Königssitz war, linksrheinisch nur noch Alzey und Speyer infrage. Alzey scheidet aus, da es zu weit abgelegen war, um den mit den Römern geschlossenen Verteidigungsvertrag erfüllen zu können. Daher spricht alles für Speyer.


  • B∗1508:  Da sagt der Bischof von Speyer zu der schönen Ute: Unsere Freunde wollen auf das Fest ziehen. Gott möge ihre Ehre dort beschützen. Damit ist auch im Nibelungenlied der Bezug zu Speyer hergestellt. Für eine Stationierung burgundischer Truppen in Speyer sprechen auch taktische Gründe. Speyer besaß bereits für die Römer großen strategischen Wert. Speyer wurde zwar im Zuge der Völkerwanderung im Jahre 206 eingenommen, wurde aber im Gegensatz zu Worms nicht zerstört. Die Befestigungsanlagen blieben größtenteils intakt und konnten durch die Burgunder leicht wieder instand gesetzt werden. Speyer war leicht zu verteidigen. Speyer bot also alle fortifikatorischen Vorteile für eine Verteidigung gegen die Überfälle der Alemannen. Der Burgunder König konnte diesen strategisch wichtigen Ort nur seinem fähigsten Mann anvertrauen. Dieser Mann war Hagen. Hagen war der wichtigste Berater des Königs, der zweite Mann im Staat. Er war Reichskanzler und oberster Heerführer der Burgunder, daher war ein solches Lehen auch seiner Stellung angemessen.

 

  • B∗1122:  Nun sollt ihr über den Schatz Wunderdinge berichten hören: Er enthielt, was zwölf riesige Wagen in vier Tagen und Nächten im günstigsten Fall aus dem Berg herausschaffen konnten, und dabei musste jeder von ihnen an einem Tag dreimal hin- und herfahren. Hagen kann den Schatz also nicht alleine beiseite geschafft haben. Dafür war der Schatz zu groß.


  • B∗1137:  Bevor der mächtige König wieder ins Land zurückkam, hatte Hagen den ganzen gewaltigen Schatz geraubt. Wie erfolgte der Wegtransport? Es gibt drei Alternativen:


  1. Wegtransport über Wasser
  2. Wegtransport über Land
  3. Wegtransport über Land und Wasser


  • B∗2308:  Da war von allen Helden niemand mehr am Leben als nur die beiden, Gunther und Hagen.


  • B∗2371:  Nun ist von Burgunden der edle König tot, Giselher und Volker, Dankwart und Gernot. Den Hort, den weiß nun niemand als Gott und ich alleine. Die historiografisch genannte Zahl von 20.000 Gefallenen zeugt, auch wenn sie nicht wörtlich zu nehmen ist, von dem Ausmaß der Niederlage (universa paene gens cum rege per Aetium deleta = fast der ganze Stamm mit dem König wurde von Aetius vernichtet (Chronica Gallica)). Da außer Hagen, seinen Rittern und den Königen (siehe B∗1140) nur noch die Helfer vom Versenkungsort des Schatzes wissen konnten, deuten die obigen Strophen darauf hin, dass alle Helfer bereits unmittelbar nach dem Verbergen des Schatzes umgebracht wurden.


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